Wir werden alle sterben!

Hurra, die Welt geht unter! Die Experimente am CERN

Am Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf werden 2009, nach jahrelanger Vorbereitungszeit und einigen Pannen, Protonen mit bisher unerreichter Wucht aufeinandergeschossen, um einige der tiefsten Geheimnisse der Physik zu erforschen. Niemand weiß ganz genau, was dabei geschehen wird – sonst müsste man dieses Experiment ja schließlich nicht durchführen. Unheilspropheten sehen den Weltuntergang herannahen, ausgelöst durch schwarze Löcher, die bei den Teilchenkollisionen entstehen und die ganze Erde verschlingen könnten. Kein Zweifel: Wir werden alle sterben. Ja, irgendwann sicher – aber gewiss nicht an den Experimenten des CERN. Die von den Medien mit Begeisterung aufgegriffenen Untergangsszenarien haben nämlich nicht die geringste wissenschaftliche Basis.

Nur keine Angst!

Es gibt keine ernstzunehmende physikalische Theorie, die schädliche Auswirkungen dieser Experimente vorhersagen würde. Sollten in den unterirdischen Beschleunigerröhren des CERN tatsächlich winzige schwarze Löcher entstehen (was von Experten als sehr unwahrscheinlich betrachtet wird), wäre das sogar erfreulich und spannend. Sie könnten wertvolle Einblicke in die Struktur von Raum und Zeit liefern. In Sekundenbruchteilen würden sie ganz von selbst wieder zerfallen. Weder mathematische Berechnungen noch bereits durchgeführte Experimente im Teilchenbeschleuniger des Brookhaven National Laboratory geben irgendwelche Hinweise auf eine Gefahr. Ununterbrochen wird unsere Erde von Teilchen aus dem Weltall getroffen, die sogar noch höhere Energien haben als jene, die nun von den Physikern künstlich zur Kollision gebracht werden. Könnten dabei tatsächlich gefährliche Effekte auftreten, wäre die Welt also schon längst untergegangen. Die Tatsache, dass es uns noch gibt, ist der beste Beweis dafür, dass auch im CERN nichts Schlimmes passieren wird.

Schwarzes Loch
Ein schwarzes Loch: So enden große Sterne - die Erde wird sicher nie so aussehen
Graphik: NASA/JPL-Caltech

Warum liest man dann aber so viel über mögliche Gefahren des Teilchenbeschleunigers? Ob Fernsehen oder Radio, ob Qualitätspresse oder Boulevardblatt: Kaum ein Bericht über das größte physikalische Experiment der Menschheitsgeschichte kommt ohne einen Verweis auf Weltuntergangsszenarien aus. Und so entsteht bei vielen Leuten der Eindruck, die Wissenschaftler seien uneinig in der Beurteilung der Gefahren. Es scheint, als wären die Auswirkungen der Experimente tatsächlich höchst unklar und umstritten. In Wahrheit gibt es nur einige wenige besorgte Mahner, die vor katastrophalen Auswirkungen der künstlichen Teilchenkollisionen warnen – wissenschaftliche Außenseiter ohne Expertenwissen auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Die Fachleute des CERN haben trotz allem die Bedenken ernst genommen, umfangreiche Sicherheitsstudien durchgeführt, und schließlich endgültig Entwarnung gegeben. Kein Teilchenphysik-Experte der Welt hat heute Angst vor den schwarzen Löchern aus Genf. Auch Physiker sind Menschen, die gerne weiterleben wollen und ihr Leben wohl kaum für ein Experiment aufs Spiel setzen würden.

Die Rolle der Journalisten

Dass über Theorien apokalyptischer Nebenwirkungen des Teilchenbeschleunigers berichtet wird, ist völlig legitim. Mit humorvollem Augenzwinkern die Grenzgebiete zwischen Wissenschaft und Science-Fiction zu erkunden, kann sogar ganz amüsant sein. Dabei darf allerdings nie ein Zweifel daran gelassen werden, dass aus wissenschaftlicher Sicht absolut keine Gefahren bestehen. Wenn das Experiment im CERN zum Anlass genommen wird, der Bevölkerung echte Angst einzujagen, dann ist das nicht nur falsch, sondern sogar gefährlich. In unserer wissenschaftskritischen Zeit, in der oft dem Astrologen, dem Feng-Shui-Berater oder dem Wasser-Energetisierer bereitwilliger geglaubt wird als dem Physiker oder dem Chemiker, brauchen wir sicher keine irrationalen Endzeitpropheten.



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