High-Tech-Farben aus der Natur

Rau oder glatt oder in dünnen Schichten: Die Struktur von Materialien kann die Farbe bestimmen

Kohlweißling auf einer DistelSchmetterlingsflügel (Kohlweißling): High-Tech-Farben, die Wissenschaftler nachbauen wollen
Quelle: [1]

Licht fällt auf ein Material, nur ganz bestimmte Wellenlängen des Lichts gelangen an unser Auge und bestimmen somit die Farbe, die wir wahrnehmen. Es gibt zwei Arten von Farben: Chemische Farben werden durch Pigmente erzeugt, physikalische Farben hingegen entstehen durch die Interaktion von Licht mit winzigen Strukturen aus denen Materialien aufgebaut sind. Diese physikalischen Farben kennt man aus der Natur, mittlerweile kann man sie auch schon künstlich nachbauen. Sie heißen Strukturfarben, weil winzige geometrische Eigenschaften des Materials die Farbe erzeugen, und nicht das Material selbst.

Überlagerung von Lichtstrahlen: Dünnschichtinterferenz

Reflexion an Schichten
Die einfallenden Lichtwellen dringen teilweise in das Material ein. Jede Schicht reflektiert einen Teil des Lichtes, und diese Einzeilteile des ursprünglichen Lichtstrahles überlagern sich zu einem reflektierten Lichtstrahl (Interferenz).
Quelle: [2]

Manche Materialien – etwa Kristalle – bestehen aus vielen übereinandergelagerten dünnen Schichten. Wenn nun ein Lichtstrahl nicht gleich vollständig an der obersten Lage reflektiert wird, dringt ein Teil des Lichtes ein Stück in das Material ein. An jeder der Schichten wird nun ein gewisser Anteil des Lichtes reflektiert, und all diese einzelnen Lichtwellen, die von unterschiedichen Schichten kommen, überlagern sich schließlich. Bestimmte Wellenlängen – also bestimmte Farben – verstärken sich dabei, andere löschen sich aus. Beleuchtet man so ein Material mit weißem Licht (das ja alle Farben gleichzeitig enthält) dann werden durch die Reflexion an den vielen Schichten manche Farben unterdrückt und andere verstärkt. Welche Farbe unser Auge von der Oberfläche empfängt, wird also durch die Schichtstruktur bestimmt.
Damit solche Effekte möglich sind, müssen die Strukturen Materials ähnlich winzig sein wie die Wellenlänge des Lichtes, also einige hundert Nanometer. Ein Nanometer ist etwa ein Hunderttausendstel des Durchmessers eines Haares, ein Millionstel Millimeter.
Nicht nur von Kristallen kennt man solche Effekte, heutzutage wissen wir von einer Vielzahl von farbverursachenden Strukturen in Pflanzen und Tieren.

Beispiele aus der Natur: Der Kohlweißling

Der Kohlweißling und seine Flügelstruktur Mikrostrukturen vom Kohlweißlingflügel: Auf parallel angeordneten Stegen mit feinen Querverbindungen sind unzählige kleine, verlängerte Perlen fixiert, die das Licht in alle Richtungen streuen und den Flügel weiß erscheinen lassen. Bei den Strukturen im schwarzen Fleck der Kohlweißlingsflügel fehlen die verlängerten Perlen, daher wird das meiste Licht absorbiert. Der Ausschnitt auf dem Bild links misst von oben nach unten etwa 20 Mikrometer. Fünf solche Bilder übereinander ergeben die Breite eines Haares, 50 übereinander ergeben einen Millimeter.
Quelle: [3]

In der Natur haben sich im Laufe der Evolution verschiedenste Strukturen herausgebildet, die die Farbe Weiß verursachen. Die weiße Farbe im Kohlweißlingflügel kommt durch kleine Strukturen zustande die mit verlängerten Perlen besetzt sind. An diesen verlängerten Perlen wird das einfallende Licht in alle Richtungen gestreut, und erscheint somit weiß. Die Aufnahme aus dem Elektronenrastermikroskop zeigt, wie im kleinen Fleck am Kohlweißlingflügel das schwarz entsteht: die grundlegende Struktur ist dieselbe, allerdings fehlen die verlängerten Perlen und somit wird das Licht nicht reflektiert und gestreut, sondern absorbiert – der kleine Fleck erscheint schwarz.

Blau irisierende Farne

Blau leuchtender Farn Der malayische Farn Selaginella willdenowii (Foto: Foozi Saad, IPGM, Malaysia), der im Halbdunklen leuchtet, und das Dünnschichtsystem, das für die blaue Farbe zuständig ist
Quelle: [4]

Im Regenwald von Malaysien befindet sich eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierspezies. Das Dach des Regenwaldes ist sehr dicht, und die Pflanzen, die unten am Boden leben, müssen mit sehr wenig Licht auskommen. Sie haben im Laufe ihrer Evolution hochempfindliche Photosynthesemechanismen entwickelt. Zuviel Licht würde ihnen schaden. Wenn nun doch einmal viel Licht auf den Boden kommen sollte, weil zum Beispiel einer der Urwaldriesen umgefallen ist, verhindert die blaue Schicht in einigen Urwaldpflanzen dass zuviel Licht in die Pflanzen eindringt. Die Abbildung oben zeigt einen „blauen“ Farn, und eine mikroskopische Aufnahme seines Dünnschichtsystems. Auch hier entsteht die Farbe durch den mikroskopisch feinen Schichtaufbau der Oberfläche.

Technische Anwendungen: biomimetische optische Materialien

Die Motte und ihre Flügel Motte und rasterelektronenmikroskopische Aufnahme Oberfläche der Oberfläche des Mottenauges, Länge des Skalierungsbalkens 1µm [6]. rechts ReflexiteTM, ein Material, das im Bereich von 400 bis 700 Nanometern einen Reflexionskoeffizienten von unter einem Prozent erreicht [5], Länge des Skalierungsbalkens 2µm.
Quelle: [5]

Die farberzeugenden Strukturen biologischer Materialien und Organismen dienen in vielen Fällen als Inspirationsquelle bei Design und Entwicklung neuer optischer Materialien. So gibt es derzeit von Mottenaugen inspirierte technologisch erzeugte Antireflexionsoberflächen und irisierende Farben, inspiriert von Schmetterlingen und Rosenkäfern.

Die Firma Reflexite™ aus den USA entwickelte 2006 eine genoppte Oberfläche, die im Bereich des sichtbaren Lichtes (400 bis 700 Nanometer) weniger als ein Prozent des Lichtes reflektiert [5] – der allergrößte Teil des Lichtes wird von der Oberfläche verschluckt, sie erscheint damit in einem besonders dunklen Schwarz. (Die Inspiration dazu war eine Arbeit, die 2003 in Nature erschienen war [6].) Die belebte Natur bietet eine Unmenge an Beispielen von Strukturen, die Farben erzeugen. Wir haben gerade erst begonnen, auf derartige Art und Weise technologisch Farben herzustellen. Die Strukturierungsmethoden und Technologien, die uns zur Verfügung stehen, ermöglichen uns schon heute, maßgeschneiderte Strukturfarben zu produzieren. Noch sind diese Verfahren aber teuer und kompliziert. Die Theorie der Strukturfarben und ihre technologische Anwendung bleibt jedenfalls ein spannendes Forschungsthema.

Ille C. Gebeshuber[1,2,3,*], Herbert Stachelberger[2] und Burhanuddin Y. Majlis[1]
1 Universiti Kebangsaan Malaysia
2 Technische Universität Wien
3 AC2T Österreichisches Kompetenzzentrum für Tribologie, Wiener Neustadt
* ille.gebeshuber@ukm.my, http://www.ille.com

Die Naklar-Gastautorin Prof. Ille Gebeshuber ist Professorin für Physik und Biomimetik an der Universität Kebangsaan Malaysia und der Technischen Universität Wien


Externe Links...



Quellen- und Lizenzangaben

[text], naklar/Ille Gebeshuber
[teaser-bild], www.naklar.at, Collage aus [5]
[1], Wikimedia Commons, Kohlweißling, Wikimedia Commons Share Alike 3.0
[2], www.naklar.at, Graphik: naklar.at / Ille Gebeshuber
[3], www.naklar.at, Collage aus [1] und Graphiken aus dem Artikel 'Stavenga D.G., Stowe S., Siebke K., Zeil J. und Arikawa K. (2004) Butterfly wing colours: scale beads make white pierid wings brighter. Proc. Roy. Soc. Lond. B 271(1548), pp 1577-1584.', mit freundlicher Genehmigung von Royal Society Publishing, London., (copyrighted material)
[4], http://www.naklar.at, Collage aus [7] und [8]
[5], http://www.naklar.at, Boden S.A. und Bagnall D.M. (2006) Biomimetic subwavelength surfaces for near-zero reflection sunrise to sunset. Proc. 4th IEEE World Conference on Photovoltaic Energy Conversion, Hawaii, Seiten 1358-1361.
[6], , Vukusic P. und Sambles J.R. (2003) Photonic structures in biology. Nature 424, Seiten 852-855.
[7], , © Foozi Saad, IPGM, Malaysia
[8], http://www.naklar.at, Hebant C. und Lee D.W. (1984) Ultrastructural basis and developmental control of blue iridescence in Selaginella leaves. Am. J. Bot. 71(2), Seiten 216-219.