Mystische Quantenwelt?

Wissenschaft ist keine Hexerei

Quantenphysik ist in Mode. In hochglänzenden Magazinen sehen wir Bilder von Wissenschaftern, die an komplizierten Lasertischen schrauben, in den Buchläden finden wir eine bunte Vielfalt an Büchern, die uns erklären, warum sie das tun. Die Quantenphysik wird dabei gerne als etwas Mystisches, Unfassbares dargestellt, so als wäre sie keine echte Naturwissenschaft, sondern irgendwo weit draußen an der Grenze zur schwarzen Magie angesiedelt. Man liest von "spukhaften Fernwirkungen", man hört, die Quantenphysik widerspräche dem "gesunden Menschenverstand", und das genügt vielen Menschen dann als Ausrede, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern science-fiction-artige Effekte fast auf religiöse Weise einfach zu glauben.

schroedinger
Die Schrödingergleichung -
die wichtigste Formel der modernen Quantenphysik

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Quantenphysik ist eine naturwissenschaftliche Theorie wie andere auch. Sie ist - ganz ohne Magie und Spuk - durch scharfes Nachdenken (und Nachrechnen) rational zu verstehen, sie liefert konkrete Vorhersagen über unsere Welt und kann experimentelle Ergebnisse mit beeindruckender Exaktheit vorhersagen und beschreiben.

Ungewohnt, nicht unverständlich

Viele Aussagen der Quantenphysik - etwa der Welle-Teilchen-Dualismus - mögen uns tatsächlich ungewohnt erscheinen, doch das hat nichts mit Magie oder Mystik zu tun. Nur weil die Strukturen, an denen man Quanteneffekte normalerweise studiert (etwa einzelne Atome oder Moleküle) viel zu klein sind, um in unserem Alltagsleben eine Rolle zu spielen, sind wir nicht an sie gewöhnt. Die Naturgesetze, mit denen man die Welt der winzigkleinen Dinge beschreibt, sind aber genauso verständlich und berechenbar wie etwa die Gesetze der klassischen Mechanik, mit denen man alltäglichere Dinge berechnet, beispielsweise die Bahn von aneinanderstoßenden Billardkugeln.

Quanten-Esoterik
Esoterik und Wissenschaft - zwei völlig unterschiedliche Dinge

Drang zur Mystifikation

Woher kommt die eigenartige Mystifikation der Quantenphysik? Einerseits mag es praktisch sein, komplizierte Dinge, als wirr und undurchschaubar hinzustellen - dann muss man sich nicht mehr ärgern, sie nicht zu verstehen, andererseits hoffen populärwissenschaftliche Autoren, durch diese Aura des Magischen die Verkaufszahlen ihrer Bücher zu steigern. Darüberhinaus ist die transzendente Überhöhung von Wissenschaft aber sicher auch eine Reaktion auf das Grundbedürfnis des Menschen nach Unfassbarem, nach Ehrfurchtseinflößendem. Dinge, die mit unserem Verstand erklärt werden können, empfindet man manchmal als profan, langweilig, trivial. Indem man Quantenphysik als spukhaft und mystisch darstellt, erlaubt man sich selbst, davon zutiefst begeistert zu sein. Durch das Deklarieren von Quantenphysik als undurchschaubar begibt man sich zurück in die Situation eines staunenden kleinen Kindes, das im Wald nach Elfen sucht. Doch brauchen wir wirlich übernatürliche Unerklärlichkeit um begeistert sein zu können? Eben diese staunende Begeisterung an der Welt sollten wir empfinden, wenn wir über Wissenschaft nachdenken. Dass wir Phänomene wissenschaftlich erklären können, wertet sie nicht ab, unser Staunen sollte dadurch sogar noch verstärkt werden. Wenn sich ein Wissenschafter diese kindliche staunende Begeisterung an der Welt nicht bewahrt hat, wird er nie wirklich kreative Forschung betreiben können.

Wenn wir staunen wollen, brauchen wir keine wundertätigen Schamanen, keine Wünschelrutengänger, keine blutenden Madonnenstatuen - und auch keine angeblich spukhafte Quantenphysik. Es genügt vollkommen, sich mit echter Naturwissenschaft zu beschäftigen - dort gab es immer genug zu staunen, und das wird sich auch niemals ändern.



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