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Das Ziegenproblem oder warum man der Intuition nicht immer trauen sollte
Unsere Intuition hilft uns in vielen Alltagssituationen schnell Entscheidungen zu treffen, ohne das zugrunde liegende Problem lange und detailliert zu analysieren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie qualitativ hochwertig intuitiv gefällte Entscheidungen sein können. Allerdings trifft dies nicht auf alle Situationen zu, was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man Intuition als Produkt evolutionärer Prozesse sieht. Einer jener Bereiche, mit dem unsere Vorfahren wenig konfrontiert waren, sind stochastische, d.h. zufällige, aber quantifizierbare Ereignisse. Es ist experimentell erwiesen, dass wir uns in solchen Situation alles andere als optimal verhalten.
Eines der bekannten Anschauungsbeispiele für unsere Schwierigkeiten Unsicherheit richtig einzuschätzen ist das sogenannte Ziegenproblem, das auf die amerikanische Fernsehshow "Let's make a deal" unter dem Moderator Monty Hall zurückgeht (deshalb manchmal auch Monty-Hall-Problem). In dieser Show werden ein Auto und zwei Ziegen hinter mit Vorhängen verschlossenen Türen versteckt. Ein Kandidat kann das Auto gewinnen, wenn er die richtige Tür auswählt; wenn er eine Tür, hinter der sich eine Ziege versteckt wählt, geht er hingegen leer aus.
- Der Kandidat wählt im ersten Schritt eine der drei verschlossenen Türen.
- Der Showmaster öffnet nun eine der nicht gewählten Türen, hinter der sich eine Ziege befindet und gibt dem Kandidaten die Möglichkeit, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken und die gewählte Tür zu wechseln.
- Soll der Kandidat wechseln?
Bevor Sie weiter lesen, überlegen Sie einmal selbst, was Sie für am Klügsten halten: Ist es besser bei der gewählten Tür zu bleiben, sollte man die Tür wechseln oder ist es völlig egal, welche Tür man auswählt?
Haben Sie sich entschieden? Glauben Sie, dass es völlig egal ist, welche der beiden verbleibenden Türen man wählt, da ja noch immer noch nicht bekannt ist, hinter welcher Tür sich das Auto wirklich befindet? Wenn ja, dann gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die Gute: Sie befinden sich in der Mehrheit. Ein Großteil jener, die das Ziegenproblem noch nie vorher gesehen haben, glauben, dass es keinen Unterschied macht die Tür zu wechseln oder sie beizubehalten. Die Schlechte: Die Mehrheit irrt! Es ist besser die Tür zu wechseln: In zwei von drei Fällen gewinnt man das Auto, wenn man wechselt, während man nur einem von drei Fällen gewinnt, wenn man seine ursprüngliche Wahl beibehält.
Es gibt mehrere Möglichkeit dieses Ergebnis zu veranschaulichen (natürlich kann man auch mathematisch exakt nachrechnen). Eine relativ einfach einleuchtende Methode ist, sich zu vergegenwärtigen, dass es drei verschiedene (gleich wahrscheinliche) Fälle gibt, die eintreten können. Nehmen wir an, dass der Kandidat am Anfang Tür 1 gewählt hat (Die Argumentation für Tür 2 und 3 funktioniert genau gleich; eine gute Möglichkeit zu überprüfen, ob man folgende Argumentation verstanden hat). Das Auto kann sich hinter Tür 1, Tür 2 oder Tür 3 verstecken:
Da sich das Auto hinter Tür 1 befindet, kann der Showmaster entweder Tür 2 oder Tür 3 öffnen. Unabhängig davon verliert der Kandidat, wenn er von Tür 1 zur verbleibenden Tür wechselt, bzw. gewinnt, wenn er nicht wechselt. | |
Da sich das Auto hinter Tür 2 befindet, muss der Showmaster Tür 3 öffnen. Wenn der Kandidat (zu Tür 2) wechselt, gewinnt er das Auto. Wechselt er nicht, verliert er. | |
Da sich das Auto hinter Tür 3 befindet, muss der Showmaster Tür 2 öffnen. Wenn der Kandidat (zu Tür 3) wechselt, gewinnt er das Auto. Wechselt er nicht, verliert er. |
Zusammenfassend: Die Strategie die Tür nicht zu wechseln ist nur im ersten Fall erfolgreich. Hingegen ist Wechseln in zwei Fällen (im 2. und 3. Fall!) erfolgreich. Wenn Sie das Auto gerne gewinnen möchten, sollten Sie also unbedingt wechseln, da sie dann in zwei von drei Fällen gewinnen!
Die entscheidende Regel des Spieles ist, dass die vom Kandidaten gewählte Tür nicht vom Spielleiter geöffnet werden kann. Bleiben wir beim Fall, dass der Kandidat Tür 1 gewählt hat. In einem von drei Fällen befindet sich das Auto hinter dieser Tür und der Kandidat gewinnt, wenn er nicht wechselt. In zwei von drei Fällen befindet sich das Auto aber hinter einer der beiden anderen Türen, von denen der Spielleiter dann aber die falsche Tür öffnet, wodurch man erfährt, wo sich das Auto befindet. In diesen beiden Fällen gewinnt der Kandidat also durch einen Wechsel. In Summe gewinnt man also durch Wechsel der Tür in zwei von drei Fällen.
Sollten Sie noch immer Zweifel haben, können Sie mit einer zweiten Person ein Experiment durchführen: Verstecken Sie einen Preis an drei möglichen Orten (z.B. Kaffeetassen). Lassen Sie Ihren Mitspieler einen Ort wählen, decken Sie ein leeres Versteck auf und lassen Sie Ihren Mitspieler seine Wahl noch einmal überdenken bevor Sie das Spiel auflösen. Notieren Sie ob Ihr Mitspieler gewechselt hat und ob er oder sie gewonnen hat. Wenn Sie das Spiel genügend oft wiederholen (20 Durchgänge - je 10 mal wechseln bzw. nicht wechseln - sollten in vielen Fällen reichen, um zu sehen, dass es klüger ist zu wechseln), sollten Sie das oben hergeleitete Ergebnis bestätigt sehen. Alternativ können Sie sich das Ziegenproblem auch hier nachspielen:
Wählen Sie ein Tor! | |
Durchgänge: | 0 |
Erfolge durch Wechsel: | Noch keine Daten |
Erfolge ohne Wechsel: | Noch keine Daten |
Im deutschen Privatfernsehen gab es übrigens eine ähnliche Show (Geh aufs Ganze). Die Regeln dieses Spiels unterscheiden sich aber vom Ziegenproblem, sodass die optimale Strategie auch von der Risikolust des Kandidaten abhängig ist, also auch von Kandidat zu Kandidat verschieden ist.
Sich mit dem Ziegenproblem einmal selbst auseinanderzusetzen, ist ein netter Zeitvertreib. Unsere fehlende Intuition betreffend zufälliger Ereignisse, kann aber in realen Situationen zu ernsthaften Fehlentscheidungen führen: Spielsucht und falsche Versicherungsentscheidungen sind Beispiele dafür. Letztlich steht auch die momentane Finanzkrise im Zusammenhang mit nicht gänzlich durchschauten, statistisch sehr komplexen Finanzderivaten.
Quellen- und Lizenzangaben
[1], Tom Olliver (flickr), Climbing Goats, CC-BY[2], Cepheus (wikipedia), Bearbeitung von: Monty Hall paradox illustration
[weitere Bilder], Rick Block (wikipedia), Bearbeitung von: Illustration for en:Monty Hall problem